DOTM Feature # 05 | Patrick Manzecchi – The Music tells him…

Patrick Manzecchi – inspiriert durch seinen Vater, Franco Manzecchi, der professioneller Jazzdrummer war, zog es auch Patrick zum Schlagzeug. Sein „Musikstudium“ war die Bühne und die umfangreiche Plattensammlung seines Vaters. Schon als Kind wurde er oft für 2-3 Titel auf die Bühne geholt und jammte mit den gestandenen Profis, hatte Kontakt zu Jojo Mayer, Sam Woodyard und Elvin Jones. Inzwischen selbst Profidrummer und Dozent an der Jazz- und Rockschule Konstanz,  ist er gefragter Sideman mit nationalen und internationalen Jazzgrößen. Technische Feuerwerke der „Drummers Drummer“ sind nicht sein Ding. Für Patrick zählt die Musik – er ist Jazzdrummer durch und durch, das wird im Gespräch schnell klar… aber lest selbst! 

Name: Patrick Manzecchi
Jahrgang: 1969
Lebt in: Konstanz am Bodense
Freizeit: Kochen, Ausgleichssport, Internet (YouTube, Facebook), DVD-Abende, ein guter Wein mit Freunden, Filmgeschichte, Schallplatten sammeln, lesen…
Favorite Food: Slow Food!
Favorite Film: „Denn sie wissen nicht was sie tun“ mit James Dean
Deine erste LP: „Spike Jones And His City Slickers Murders Them All“
Favorite Book: „Der kleine Prinz“ (Antoine de Saint-Exupéry)
Erstes Drum-Kit: „Wooding“ der Firma Hollywood/Meazzi (der Vater war Endorser)
Dein Motto: Nur mit dem Herzen hört man gut – frei nach St. Exupéry

Grip: Traditional-Grip


Hey Patrick, erzähle… wo kommst Du genau her – wo liegen Deine Roots? Mein Vater Franco Manzecchi war Italiener. Er ging über Umwege nach Paris, um Jazzmusiker zu werden. Damals in den 50er Jahren musstest Du in Europa alles auf eine Karte setzen, wenn du Karriere machen wolltest. Meine Mutter Mimi Manzecchi ist Deutsche und beide heirateten und lebten in Paris. Als mein Vater relativ jung schwer krank wurde und klar war, dass er sterben würde, beschloss meine Mutter wieder nach Deutschland zu gehen. 

Inspiriert durch Deinen Vater bist Du also zum Schlagzeug gekommen?  Nach dem Tod meines Vaters begann ich als Neunjähriger seine Platten, die er mit einigen Jazzgrößen eingespielt hatte, anzuhören. Das war sozusagen meine Trauerarbeit. Und bald darauf ließ mich meine Mutter auf dessen Set spielen. 

Hattest Du Unterricht? Ich  bin ein klassischer Autodidakt. Hier und dort mal ein Tipp von Freunden, Kollegen, Profis – aber das war es dann auch schon. Der beste Unterricht war Platten zu hören, meine Mutter nahm mich mit auf Konzerte – wofür ich ihr heute noch sehr dankbar bin. Erst später nahm ich Notenunterricht.  

Welche Musik hat Dich beeinflusst bzw. wie kamst Du zum Jazz? Ich kam zuerst zur Musik, speziell zum Jazz – und dann erst zum Schlagzeug. So verstehe ich auch mein Schlagzeugspiel, nach wie vor: „The music tells you“! Wie gesagt, ich hörte die Platten meines Vaters, da lag es nahe einmal selbst die Stöcke in die Hand zu nehmen. Aber zuerst war die Musik: Spike Jones, dann Ella Fitzgerald, viel Swingmusik, Duke Ellington, aber auch gute Filmmusik, ziemlich bald dann auch der Bebop. Max Roach, Philly Joe Jones und Buddy Rich dürften die ersten Idole am Schlagzeug gewesen sein. Früh geprägt hat mich allerdings Musik, die swingte, mit Rock oder Pop hatte ich gar nichts am Hut. Später mit 14-15 Jahren erst kamen der Soul und der Jazzrock dazu: James Brown, Weather Report, Kool & the Gang, Sade, Jackson 5, die Brecker Brothers, Steely Dan… und schließlich die Klassische Musik: Claude Debussy, Ravel, Strawinsky… aber auch guter Hiphop, wie A Tribe called Quest, Pharcyde, Black Sheep, Freundeskreis, Pete Rock – das monotone im Hiphop, 1-2 buttrige Akkorde, die Essenz, oder vielmehr die Melancholie darin – das gefällt mir unglaublich gut. Das mag ich auch sehr an Jill Scott und Erykah Badu!

1974

Wie ging es dann weiter? Es begann und ging auch autodidaktisch weiter. Ich habe einfach sehr viel Musik gehört, Schallplatten und Tonbänder waren ja da, zur Genüge, das gehörte nach dem Tod meines Vaters dann automatisch alles mir und so hatte ich bereits als knapp zehnjähriges Kind eine sehr gute Sammlung: Ellington, Thelonious Monk, Armstrong, Charlie Parker, Miles, Coltrane, Cannonball Adderley etcetera. Ich informierte mich über Jazzliteratur, die mein Vater besessen hatte, und bekam schnell einen guten Überblick. Außerdem hörte ich mir immer wieder ein langes Radiointerview an, das er für das Französische Radio gegeben hatte, mit tollen Musikbeispielen von Parker, Miles, Oscar Peterson, Cannonball, Art Blakey’s Jazz Messengers etc. – das hat mich natürlich geprägt und allmählich wuchs immer mehr die Lust mich selbst an Set zu setzen. Ich begann sofort damit, meine Lieblingsplatten zu begleiten – es ging also immer um die Musik als solches, und weniger ums Schlagzeug. Wie gesagt, meine Mutter nahm mich immer mit auf Konzerte – so lernte ich Jojo Mayer, Sam Woodyard, Elvin Jones kennen, die mir kleine technische Tricks beibrachten in den Pausen oder beim Soundcheck. Als rasch lernendes Wunderkind durfte ich dann oft einsteigen in zwei – drei Nummern bei Konzerten, Standards wie „Satin Doll“ von Ellington oder „Jordu“ – das hat mich natürlich zusätzlich motiviert. Dann die ersten festen Bands, kleinere Auftritte und so weiter. Mit 17 Jahren nahm ich einige Stunden Unterricht bei einem guten Drummer, Fritz Senn, weil ein Bandleader entsetzt war, dass ich keine einzige Note lesen konnte, ich bekam ein richtig schlechtes Gewissen. Aber ich hatte so einen Horror vor Noten, dass ich schnell wieder aufgab. Das habe ich dann später nachholen müssen, da gibt es keinen Weg daran vorbei für einen Profi.

… also kein „Hochschulstudium“…? 

Das wichtigste „Studium“ war in erster Linie meine vielen Konzertbesuche als Kind und Jugendlicher. Miles Davis, Dizzy Gillespie, Clark Terry, Stan Getz, Dexter Gordon, Joe Henderson, Mel Lewis, Elvin Jones, Shelly Manne, Art Blakey… ich habe noch so viele Legenden ‚live‘ sehen dürfen…! Und das hat mich natürlich tief geprägt. Später, mit Ende zwanzig, beschloss ich – endlich! – Unterricht zu nehmen am „Drummer’s Focus“ bei Andy Witte, um einige technische Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen und ein für allemal Noten zu lernen, die ich als Autodidakt ja nie so wirklich gebraucht hatte. Als Profi aber ein katastrophaler Zustand! Jetzt geht es einigermaßen mit dem Lesen. Andy Witte war sehr, sehr geduldig mit mir – ein toller Lehrer, von dem ich viel profitiert habe.

Übst Du noch bzw. was? Ich musste unlängst ein recht anspruchsvolles Programm einstudieren für eine sehr interessante Big Band, dem Lake Side Art Jazz Orchestra, die Tunes spielt von Tower of Power, David Sanborn, Dave Weckl usw. Zum Teil 6-seitige Charts mit tausend Kicks – für mich eine echte Herausforderung, zumal der eigentliche Drummer Martin Deufel, für den ich einsprang, ein sehr erfahrener Drummer ist für solche Belange und ein entsprechendes Niveau vorlegt. Der Bandleader ist übrigens Stephan Frommer, der „entsetzte“ Bandleader von damals! Da ich einigermaßen nervös war ob einer gewissen Leseschwäche – außerdem habe ich Big Band nie wirklich getrommelt außer zwei, drei mal -, habe ich versucht mich mental bestmöglich vorzubereiten. Ohne Gesamtprobe ein derartiges Programm zu nageln, ist nicht ohne. Bis auf einen kleinen Patzer hat sich die Mühe und die Vorarbeit gelohnt und ich habe wieder viel gelernt. Aber tägliches Üben hinsichtlich Technik gibt es schon lange nicht mehr, dazu fehlt schlichtweg die Zeit. Und auch die Lust, das gebe ich zu. Ich verfeinere lieber mein Ohr, indem ich Musik höre. Außerdem spiele ich ja eh viel, und die Basis an Technik und Grooves ist ja sowieso da. Es geht ab einem bestimmten Level nur noch um die Musik selbst! Wayne Shorter hat einmal einen interessanten Satz gesagt: „You can’t rehearse the unknown!“

Wie sieht Dein „Drummeralltag“ derzeit aus… bis spät in den Clubs abhängen… ? Ja, spät ins Bett gehen und am nächsten Morgen ausschlafen stimmt in meinem Fall, allerdings ist dann meist erst einmal Büro angesagt, ich bin ja weitgehend selbständig. Von 16 bis 19 Uhr gebe ich an vier Tagen die Woche Unterricht an der Jazz- und Rockschule Konstanz. Dann die Proben, Konzerte. Langweilen tu ich mich sicher nicht. 

Was bedeutet Dir „Jazz“, was fasziniert Dich an der Musik? Jazz ist meine musikalische Heimat, damit bin ich groß geworden und es fühlt sich einfach vertraut an. Ich bin wahrlich sehr, sehr stolz ein Jazzmusiker zu sein und nehme meine Berufung sehr ernst. Das ist mir das aller-allerwichtigste im Leben. Das Leben um mich herum kann einstürzen – aber ich bin ein richtiger, ein echter Jazzdrummer! Natürlich geht es um die Musik im allgemeinen und so liebe ich auch Jazzrock, Funk, Salsa, Reggae… auf dem Osssy-Album „Serum“ spiele ich Hard Rock der alten Schule – übrigens an der Seite von Simon Philips (Toto, Mike Oldfield, The Who). Wenn eine Band gut ist, spiele ich alle Stile gern – bis hin zum Dixieland! Oder aber, wie neulich, Funk und Jazzrock im Lake Side Art Jazz Orchestra. Dann gebe ich ja auch Solokonzerte oder begleite Tänzer – das macht alles großen Spaß. 

Was zeichnet Deiner Meinung nach einen Jazzdrummer aus? Ohren, Ohren, Ohren. Dazu ein motorisches Talent – und los geht’s. Das Herz entscheidet letztlich über die Ernsthaftigkeit und den Willen, ein guter Musiker zu sein. Und guter Geschmack kann auch nicht schaden! Seriöse Musiker kennen sich auch immer gut aus in der Tradition, wissen wie sie einen Solisten begleiten müssen, fühlen sich sicher im musikalischen Umfeld, weil sie die diversen Stile nicht nur studiert, sondern eine geradezu intime Beziehung haben zum musikalischen Kontext haben! Das macht einen guten Drummer für mich aus. Er muß nicht alle Stile perfekt spielen können. Ein hervorragender Drummer hat zudem einen unverkennbaren Stil, einen „Sound“. Außerdem rate ich jedem, sich frühzeitig mit Noten auseinander zu setzen, dann hat er später nicht die Schwierigkeiten, die ich dann hatte. Aber letztlich geht es um die Persönlichkeit. 

Wenn Du die Uhr zurückdrehen könntest, in welcher „Jazzepoche“ mit welchen Bands/Musikern würdest Du gerne „abhängen“? Natürlich werde ich sentimental, wenn ich z.B. alte Fernsehsendungen sehe von meinem Vater aus den 60ern in schwarzweiß mit Leuten wie Milt Jackson, Percy Heath, Chet Baker, Kenny Drew, Woody Shaw, Clark Terry. Guter Sound, alle in ihren schicken Anzügen, der ganze Lifestyle usw. Das ist natürlich sicher auch psychologisch bedingt – durch den frühen Verlust meines Vaters. Aber eine der größten Herausforderungen ist es nunmal im Hier und Jetzt zu leben – nicht nur musikalisch. Ich kann’s ja doch nicht ändern! Abgesehen davon hatte jede Periode, auch nach dem Swing und Bop, ihre interessanten Entwicklungen – von daher eh nicht zu beantworten…

Gibt es Drummer die Dich beeinflusst haben oder noch beeinflussen?Wie schon gesagt, meine ersten Einflüsse dürften Max Roach, Art Blakey, Kenny Clarke, Philly Joe Jones, Elvin Jones, Roy Haynes und Tony Williams gewesen sein. Sam Woodyard, Buddy Rich natürlich auch. Bis auf Max und Philly Joe habe ich auch alle live gesehen, die meisten mehrmals! Insgesamt sind es einfach zu viele prägende Drummer, um sie alle aufzuzählen. Sehr, sehr wichtig waren und werden auch immer sein: Daniel Humair, Jack DeJohnette, Jimmy Cobb, Albert ‚Tootie‘ Heath, Paul Motian, Peter Erskine, Billy Hart, Joe Chambers, Billy Higgins, Shelly Manne, Alan Dawson, Al Foster, Vernell Fournier, Al Harewood, Frankie Dunlop, Alvin Queen, Eric Gravatt, Bill Stewart, Ralph Peterson Jr., Jeff ‚Tain‘ Watts. Kenny Washington hat mich umgehauen, als ich 13 war (und tut es noch heute) – einfach jeder Drummer, der musikalisch spielt. Dann haben mich Ende der 80er, Anfang 90er Jahre Newcomer aus Europa, die einige Jahre älter waren als ich, wie Jojo Mayer, Wolfgang Haffner, Holger Nell, Roberto Gatto, Simon Goubert und Mario Gonzi motiviert dranzubleiben. Natürlich gefallen mir auch Soul-, Funk-, und Jazzrock-Drummer wie George Brown von Kool & the Gang, Graham Lear (Santana, Gino Vanelli), Narada Michael Walden hauten mich beide um, als ich sie zum ersten mal hörte in meiner Jugend, sie hatten einfach den sattesten Sound in den 70ern. Billy Cobham, ganz klar! Dann Alex Acuna, Paul Wertico liebe ich sehr, Simon Philips waren und sind sehr wichtig, David Garibaldi von Tower of Power ist einzigartig, aber auch J.R. Robinson und Ndugu Chancler auf den Michael Jackson-Scheiben… großartig! Steve Jordan, Kenwood Dennard, Mike Clark und Vince Wilburn haben mich in meiner binären Spielweise vielleicht am meisten beeinflusst. Dann außerdem Gene Lake, Zach Danziger, Joel Rosenblatt, Steve Smith und natürlich Jojo Mayer. Steve Gadd und Dave Weckl waren in bestimmten Kreisen verpönnt, als ich jung war – aber auch mit ihnen habe ich mich auseinandergesetzt. Paulhino Braga, den ehemaligen Drummer von Elis Regina, finde ich auch großartig, wenn es darum geht, „den Song zu spielen“. Ein wichtiger Einfluss war mein Freund Laurent Galeazzi, ein toller ehemaliger Drummer aus Paris, der mir in jungen Jahren gezeigt hat, wie man musikalisch hört. Junge Drummer wie Chris Dave, Chris Coleman, Tyshawn Sorey sind unglaublich. Und neulich habe ich mal wieder Bernard Purdie auf einer alten King Curtis-Scheibe gehört, unfassbar! Der Sound, der fette Backbeat, that’s the shit, unglaublich funky! Die Frage ist doch am Ende folgende: Wann klingt eine Band überhaupt nach einer Band…? Warum ist Elvin der ideale Coltrane-Drummer…? Oder Jimmy Cobb hinter Wynton Kelly, Monk mit Frankie Dunlop, Tony und Miles, Mike Clark bei Herbie’s Headhunters, Acuna bei Weather Report, Robert Glasper und Chris Dave, Hendrix und Mitch Mitchell usw. – das sind alles hervorragende Beispiele, wie große Musik funktioniert! Mir musste immer erst die Band gefallen – und dann fiel mir auf, welchen Anteil der Drummer dabei hatte. Die Band ist immer in erster Linie ein Team!

1982

Unser Business bringt ja auch „Hochs und Tiefs“ mit sich – wie gehst Du damit um? Wenn es mal nicht so läuft, dann halte ich es einfach aus. Aus meiner langen Erfahrung weiß ich: das nächste Highlight kommt bestimmt. Und! Das Glas ist ab einem bestimmten Niveau immer halbvoll. Dranbleiben! Du hast dieses eine Talent – nutze es, so gut es geht. Durchhänger sind normal. 

Spielt Technik in Deinen Augen eine große Rolle? Eine gute Technik spielt immer eine große Rolle – unabhängig vom Musikstil. Und die Moeller-Technik fühlt sich einfach „natürlich“ an. Sie ist die Essenz einer jeden guten Technik, seit jeher. Ich musste sie gottlob nicht üben, sie war einfach da bei mir. Das sind vermutlich die entsprechenden Gene in mir. 

Kannst Du vielleicht beschreiben was in so einem „Jazzdrummer-Head“ vorgeht, wenn er mit anderen musiziert? Liebe, Stolz, Dankbarkeit, Gemeinschaft, Demut, Würde, Tiefe, Trauer, Melancholie, Glück – sofern es rund läuft. Und das ist jetzt kein Pathos! Wenn nicht, au Backe. Schnarchnasen, schlechte Klamotten bei den Kollegen, einstudierte Licks, Unaufmerksamkeit, fehlende Konzentration, oder eine gewisse Arroganz und wenn man das Publikum missachtet oder unterschätzt… da werde ich stinkig. Die ganzen Klischees, die man mitunter den Jazzern vorwirft… leider ist da sehr oft etwas dran. Am schönsten ist es, wenn Du mit Musikern arbeiten darfst, die eine wirkliche Ahnung haben, seriös sind, eine gesunde Mitte haben, das Ego außen vor lassen. Davon profitiere dann auch ich natürlich. Als Autodidakt war ich immer froh, mit anderen gemeinsam weiterzuwachsen.

Was war dein persönliches Highlight in Deiner Laufbahn? Da gab es einige. Zu viele, um sie alle aufzuzählen. Aus Marketing-strategischen Gründen kann man natürlich einige auf meiner Homepage www.manzecchi.de finden, ohne Credits geht heutzutage ja leider gar nichts mehr. Ich bin sehr glücklich, bisher so erfolgreich gewesen zu sein, und die Reise geht weiter. Generell gesprochen: dass ich mit einigen der besten Musiker arbeiten darf und durfte, ständig kommen neue Highlights dazu. Und dass ich überhaupt Musiker geworden bin, das ist ja auch nicht so selbstverständlich. Ein besonderes Highlight ist jetzt dann, im Oktober: Richie Beirach hat mich gebeten mit ihm und George Mraz zu spielen. Die zwei spielen ja sonst nur mit Billy Hart, Jack DeJohnette oder Al Foster! Richie hatte mich schon vor 10 Jahren gefragt. Aber ich war noch nicht so weit. Nun will ich es mal wagen. 

Was zeichnet in Deinen Augen einen „(Jazz-) Musiker“ aus? Einen kompletten Musiker gibt es eh nicht – so wie es keinen „besten“ Schlagzeuger gibt. Das wäre ja schlimm. Seriöse Musiker sind nie am Ziel, entwickeln sich immer weiter. Ab einem bestimmten Level ist eh alles Geschmackssache. Generell würde ich sagen, dass es darauf ankommt, deine Kollegen gut klingen zu lassen und sie zu inspirieren. Als Sideman wie auch als Solist, gleich welches Instrument. Du solltest immer versuchen, sie nicht zu langweilen. Das ist natürlich einfacher gesagt als getan. Aber Du musst es versuchen. Ich kenne Musikerkollegen, die es schaffen, jedes Publikum zu begeistern. Sie spielen dufte, alles kein Problem. Aber sie spielen jeden Abend dasselbe Solo, alles ist Note für Note einstudiert. Sorry, aber da verliere ich jeglichen Respekt. 

Ich hab kürzlich so ein „Vorurteil“ aufgeschnappt…  Jazzer können „alle Styles“ – auch Rock – spielen, umgekehrt z.B. die Rocker aber keinen Jazz. Was meinst Du, ist da was dran?  Ehrlich? Das ist ein gängiges Vorurteil? Ich höre immer: Jazzdrummer könnten keinen geraden Beat spielen – was natürlich nicht stimmt, jedenfalls nicht mehr! Weil die meisten Jazzdrummer natürlich auch mit Rock und anderen binären Stilrichtungen großgeworden sind. Was aber für Rockdrummer nicht immer stimmen muss, bezogen auf Jazz. So gesehen ist da schon etwas dran an deiner Aussage, Rocker könnten oft keinen Jazz spielen. Wie auch, wenn sie es nicht im Ohr haben. Den jeweiligen Musikstil kann man nur interpretieren, wenn man ihn auch kennt. Daher: immer die Ohren aufhalten. 

Du unterrichtest an der Jazz & Rockschule Konstanz? Ich bin der Fachbereichsleiter für Schlagzeug und somit Anlaufadresse für Interessierte an der vor zwei Jahren gegründeten Jazz & Rockschule. Seit kurzem sind wir ein eingetragener Verein – es ist alles noch recht neu, aber ziemlich spannend derzeit. Wir Gründungsmitglieder spielen in einer 7 Mann-Band, die neulich als Vorgruppe von Blood, Sweat & Tears aufgetreten ist. Auch gibt es eine eigene Konzertreihe, bei der die musikalisch aktiven Dozenten kostenlos Konzerte geben für die Schüler. „Nicht reden, sondern machen!“ lautet das Motto. Der Chef Kai Kopp ist eine coole Socke. Sein Vize Klaus Knöpfle ist der musikalische Leiter unserer Lehrerband, dem Jazz und Rockkommando. Alles in allem eine ziemlich runde Sache und ich fühle mich sehr wohl an der Schule.

Unterrichtest Du dort hauptsächlich Jazzschlagzeug? Nein, nicht hauptsächlich – das Interesse ist einfach nicht so groß für Jazz. Ich versuche die Schüler dort abzuholen, wo sie musikalisch stehen. Vom Anfänger bis zum fortgeschrittenen Rockdrummer. Ich stelle meinen Dienst in deren Sache, auch wenn das pathetisch klingt. Natürlich bin ich bemüht, Ihnen ein ganzheitliches Bild vom Drumming und von der Musik im allgemeinen zu vermitteln. 

Wie bringst Du deinen Schülern den Jazz näher? Wenn sie Interesse zeigen: ich lade sie ein in meine Konzerte, ich spiele ihnen Musik vor, schicke ihnen YouTube-Links, erzähle Anekdoten. Einige meiner besten Schüler sind auf einem guten Weg, sind sehr interessiert an der Musikgeschichte. Was mich natürlich sehr freut! Andere sind schlichtweg gar nicht zu motivieren – das ist dann eben so. 

Was sind Deine Unterrichtsschwerpunkte? Meine Schwerpunkte sind Stilistik, Groove, Timing, Technik und Improvisation. Dies versuche ich individuell zu gestalten und an den jeweiligen Schüler anzupassen. Sehr wichtig finde ich auch die generelle Haltung zur Musik. Warum mache ich überhaupt Musik? Wie kann ich mein Talent herausschälen/optimieren? Worum geht es eigentlich beim Trommeln… solche Sachen. Wenn gute Schüler plötzlich anfangen zu sehr nach mir zu klingen – das kann schon mal passieren bei den sehr guten Schülern nach einigen Jahren Unterricht – dann schicke ich sie weg, zu einem anderen Drummerkollegen. Was zunächst einmal hart klingen mag, erwies sich bisher immer als richtig. Und sie danken es Dir danach. Der Abnabelungsprozess ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Weil ab einem bestimmten Entwicklungsstand eben die schon genannten Parameter in den Hintergrund rücken, und dann ist es an der Zeit die eigene Persönlichkeit herauszuschälen.

Was steht bei Dir in der Zukunft noch so an, besondere Projekte, Ideen, Träume? Weiterhin gute Musik zu machen. Mit manchen Musikern spiele ich nun seit einem Vierteljahrhundert – das finde ich wunderbar. Andere musst du gehen lassen und das ist auch gut so. Man muss lernen sich von Energieräubern zu distanzieren. Das ist vor allem für mich persönlich, der immer alles gibt, sehr wichtig. Für manche scheint dies immer selbstverständlich zu sein – aber nein, das ist es nicht. 

Wie siehst Du die Zukunft der Musikbranche? Es geht weiter, seit jeher, as usual, irgendwie… einige von uns werden gut von der Musik leben können, andere nicht. Es wird immer sehr gute Musiker geben, die übersehen werden, und es wird immer mediokre Musiker geben, die eine große Karriere hinlegen. Aber es wird auch immer ‚wohlverdienten’ Erfolg geben, das ganze Spektrum eben. Es gibt eigentlich keine allgemein gültigen Regeln. Wie überall in der Kunst, im Film, in der Literatur. Qualität lässt sich eben nicht immer bemessen und ist auch kein Garant. Für gar nichts.

Was sollte aus Deiner Sicht ein Drummer haben um als Musiker Erfolg zu haben? Erfolg heißt in erster Linie für mich von seinem Talent leben zu können. Ob du nun gehypt wirst oder nicht. Ganz generell gesprochen: Persönlichkeit, Können, Meisterschaft, Leidenschaft, Empathie und Ausdauer – das sind wohl maßgebliche Voraussetzungen, um in unserem Gewerbe Fuß zu fassen. Manchmal hilft auch Glück – aber einen seriösen Musiker interessiert das eh nicht, er macht ja sowieso, was er für richtig und unabdingbar hält. Die meisten von uns sind sowieso bescheiden, das liegt in der Natur der Dinge. Sehr wichtig sind mittlerweile Notenkenntnisse geworden. Und es kann nicht schaden, wenn man sich ein bisschen mit Odd Meters, den sogenannten krummen Taktarten, auseinandersetzt. Im übrigen ist Zuverlässigkeit sehr wichtig. Humor kann außerdem das Miteinander erheblich erleichtern, kein Witz. 

Ich nenne einfach mal ein paar Drummer – gib einfach mal kurze Statements dazu ab…

Paul Motian: Paul Motian, das ist für mich Gefühl und Sound und die Kunst des Weglassens. Dynamik pur, aber nichtsdestotrotz ein großer Swinger, das vergisst man gerne zu erwähnen. Ein sehr großer Einfluss, nicht nur für mich. Und, wenn man so will, ein Universum für sich, vor allem mit und an der Seite von Bill Evans, der dem Klaviertrio eine neue Richtung vorgab. Andere Bill Evans-Drummer, die danach kamen, wie Larry Bunker, Marty Morell und Joe LaBarbera – und nicht nur die – wären nicht sie ohne den großen Paul Motian. Paul Motian hat uns alle beeinflusst!

Benny Greb: …kenne ich nicht besonders gut – aber was ich auf YouTube gesehen habe, hat mir ziemlich gut gefallen. Er versucht einen eigenen Weg zu gehen, bedient sich einer guten Technik, aber trommelt nicht alles tot. Sehr gut finde ich übrigens auch Jost Nickel. Und Oli Rubow – ein sehr musikalischer Groover. Außerdem noch Flo Dauner, Bodek Janke, Guido May. Und Jojo sowieso. 

Max Roach: Max – was soll ich sagen…? Mein Papa, mein musikalischer Ziehvater, mein erstes Idol. Max Roach hat alles, was ich von einem guten Drummer erwarte: Sound, Feel, Melodiösität, Eleganz, Attack und eine unverwechselbare Aussage. Er war einer der Allergrößten – und wird es immer bleiben. Man erwähnt immer als erstes seine Fähigkeit, Soli melodisch zu gestalten. Aber sein Swing Feel in seinen Soli im Medium Tempo ist die vollendete Eleganz, der pure Wahnsinn. Keine Note zuviel. Sehr schade, dass ich ihn nie ‚live‘ gesehen habe … aber ich habe ihn studiert wie kaum jemand anderen. Auch menschlich – er war ein sehr kluger Mann, politisch, weltoffen. Max Roach habe ich musikalisch gesehen eigentlich alles zu verdanken. Ihm und meinen Eltern. Eigentlich ist Max Roach der Grund, warum ich mich fürs Schlagzeugspielen entschieden habe.

Thomas Lang: bei allem Respekt für seine exorbitante Technik – das ist nicht meine Baustelle. Mich interessiert dieser ganze Technik-Hype nicht. Ich bin ein Musiker und kein Zirkusartist. Harte Worte, ich weiß. Ein YouTube-Kommentar auf einem Thomas Lang-Clip trifft es wohl am besten„the stick tricks sounded best!“. Ich persönlich mag es „bescheidener“ und geschmackvoller. Überall spricht man über Thomas Lang – in den Drummerzeitschriften, auf den Foren, YouTube etc.  – aber nie über Falk Willis, Guido May, Jochen Rückert, Dominic Egli, Klemens Marktl, Torsten Krill, Jörg Eckel, das sind auch alles Killer. Aber eben Jazzdrummer, das interessiert halt niemanden. Oder unter den Legenden, die noch leben: Tootie Heath, Colin Bailey, Joe Hunt, Louis Hayes, Pierre Favre, Bruce Ditmas, Bob Moses… die leben alle noch, aber nie liest Du etwas über sie – da stimmt doch was nicht!! Aber ich erwähnte das ja schon, es ist halt der Hype. Die grobe Masse bestimmt eben Angebot und Nachfrage – das war nie anders. 

Mel Lewis: …another hero. Irgendwo zwischen Paul Motian und Elvin Jones… da stimmt einfach alles. Im Geiste ein Schüler und würdiger Nachfolger von Shelly Manne, den ich ebenfalls sehr verehre. Auch Mel war einer der ganz Großen. Er war außerdem kompromisslos bezüglich seines Musikgeschmacks und sagte immer seine Meinung. Mel = Sound, Swing & Elegance. 

Steve Gadd: Steve Gadd hat einfach mit die besten Nerven im Business, hier und dort und überall ein First Take, ziemlich unglaublich … Gadd ist eine Ikone, ein Superheld – aber kein Lieblingsdrummer. Ich mag ihn sehr, aber er taucht nicht unbedingt auf meinen Lieblingsplatten auf. Alles in allem ein unglaublich musikalischer Drummer. Man hört sofort, dass er Musik aufrichtig liebt. Und er hat seinen eigenen unverwechselbaren Sound!

Equipment Talk: 

Gutes Equipment ist sehr wichtig – gerade weil du es oft nicht gestellt bekommst auf Tour! Im Ernst: du schreibst, was du brauchst in deinen Rider und du kannst dir sicher sein, dass sie dir das genaue Gegenteil stellen. Das gute dabei ist, dass du schnell lernst auf jedem Material klarzukommen. Natürlich nehme ich immer meine Becken mit auf Tour, denn schließlich sind sie ja meine Visitenkarte. Um es auf den Punkt zu bringen: ein Set kannst du immer einigermaßen so tunen, dass es klingt. An Becken kannst du nichts groß ändern. Einige meiner Becken habe ich abgeschliffen und mit Sizzle-Nieten bestückt, damit sie „schmutziger“, erdiger klingen. Wenn ich mit meinem eigenen Set reise – was meist der Fall ist, denn so oft spiele ich nicht im Ausland -, nehme ich leichte Hardware mit. Schließlich muss ich das ja auch alles selber schleppen! Letztes Jahr habe ich in Holland auf einem Kinderset gespielt! Das war der pure Fun. 

Was hast Du dir zuletzt für´s Set gekauft? 

Genau genommen war es ein neues Pultlicht für meinen Notenständer – zählt das auch…?

Drums:

Jazz Set: Gretsch Broadkaster in den Größen: 

13″ Hängetom, 14″ Standtom, 20″ Bassdrum, 14″ Snare (wahlweise Gretsch Classic 4160 Chrome oder die legendäre Ludwig Acrolite)

Fusion Set: Basix Custom Series in den Größen: 

10″ und 12″ Hängetoms, 14″ Standtom,  20″ Bassdrum, 14″ Snare (wahlweise Premier ‚Project One‘) 





Becken: (je nach Stil, Bedarf und Set, alle original, außer wie angegeben)

15“ Zildjian Avedis Crash

16“ Zildjian Avedis Crash 

16“ Zildjian K Ride

18“ Zildjian Avedis Flat Bell Ride

20“ Zildjian K Custom Dry Ride (neu) w/ sizzles

20“ Zildjian Avedis Medium Ride 

22“ Istanbul Nostalgia Crash Ride (neu) w/ sizzles

22“ UFIP Ritmo w/ sizzles

24“ Zildjian Avedis Medium Ride 

24“ Paiste Formula 602 Ride w/ sizzles

Sticks: Pro-Mark, Vic Firth, Ludwig, meist aus Ahorn in 7A – aber auch ‚No Name’ Sticks guter Qualität aus Wühlkisten. Ich probiere gerne herum. Wichtig ist, dass die Sticks gerade sind und nicht eiern, wenn man sie über den Kesselrand rollt! Und keine Plastikköpfe bitte! Das ‚klingt‘ nicht.  

Ready. Set. Groove!