DOTM Feature # 06 | Stefan Schulte-Holthaus – der Abräumer

Musik machen ist ein „klasse Hobby“… dies jedoch zum Beruf zu machen, daran verschwendete Stefan, als ich ihn irgendwann in den 90´ern kennenlernte noch keinen Gedanken… Doch es sollte ganz anders kommen: 8 Töne genügen – egal auf welchem Kontinent man sich befindet – man weiß Bescheid – „Narcotic“! Mit Liquido ist Stefan das gelungen, wovon tausende Musiker träumen oder auch tagtäglich hart dafür arbeiten… Plattenvertrag, Top-Produzenten, Studiowork, angesagte Festivals, Airplay, TV, MTV, VIVA, Gold- u. Platinauszeichnungen,  Fans auf der ganzen Welt… und dies alles  als „Bass spielender Drummer“… inzwischen hat sich Stefan wieder ganz auf „sein Instrument“, das Drum-Set besonnen. Aber wie dieser talentierte, tighte Drummer „mal eben“ Bassist einer international erfolgreichen Band wird, Familie, Musikbiz, Dozententätigkeit, das Schlagzeugspielen u.v.m unter einen Hut bringt und dabei ein „einfach netter Typ“ – so ganz ohne Starallüren bleibt, erfahrt ihr in diesem Interview…

Name: Stefan Schulte-Holthaus
Jahrgang: 1975
Lebt in: München
aus:  Mannheim
Freizeit: Familie, Musik & Fitness
Favorite Food: ganzer Fisch vom Grill, zurzeit am liebsten Wolfsbarsch (am besten Wildfang) in Knoblauch, Petersilie, Chili, Olivenöl, Salz und Pfeffer mariniert.
Favorite Film: muss zu lange überlegen  …
Erste CD: unglaublich, ich weiß es nicht mehr.
Favorite CD: RHCP: Blood Sugar Sex Magic (neben Thomas Zimmermann und Derrick Plourde von Lagwagon) hat diese Platte mein Schlagzeugspiel maßgeblich geprägt. Die Einflüsse hätten unterschiedlicher nicht sein können)
Favorite Book: „The Time of Our Singing“ (Richard Powers); diesen Sommerurlaub empfand ich aber auch Tschick von W. Herrndorf als sehr unterhaltsame Begegnung.
Erstes Drum-Kit: Thunder – das stand jedenfalls drauf, keine Ahnung ob das die Marke oder der Name des Sets war – ich habe es jedenfalls ganz schnell gegen ein Sonor und dann ein blaues Pearl SLX von meinem Drumlehrer Thomas eingetauscht.
Dein Motto: Denk ab und zu daran, dass auch du einmal sterben musst und sei gut zu deinen Mitmenschen. 


Stefan – klasse, dass du dir Zeit nimmst… erzähl doch mal, wie ging es bei dir los mit der Musik und was uns natürlich besonders interessiert, wie und warum Schlagzeug? Für Musik konnte ich mich schon immer begeistern. Es existieren Bilder, da war ich zwei Jahre alt und stehe –  mit einem Stick in der Hand – vor einem Schlagzeug auf einer Party und strahle. Los ging es tatsächlich auf Kochtöpfen. Und als ich eines Tages Schlagzeuggepolter in der Nachbarschaft hörte, habe ich sofort dort geklingelt. Ich war 13 Jahre alt. Mein Nachbar Thomas hatte ein Schlagzeug gekauft. Er studierte in Mannheim und hatte nichts dagegen, dass ich unter der Woche bis zu 4 Stunden am Tag spielte. Am Wochenende zeigte er mir neue Beats und Rhythmen, die ich unter der Woche üben konnte. Und ein Jahr später konnte ich dann meine Eltern von der Anschaffung eines eigenen Schlagzeugs überzeugen. 

… wie ging es dann weiter? Meine ersten Erfahrungen haben mir gezeigt, dass ich von anderen viel und vor allem schnell lernen kann. So suchte ich mir immer den nächsten Lehrer. Erst war ich  in einer klassischen Musikschule, lernte Märsche, Singles, Doubles, Paradiddle usw. Dann hatte ich einen Schwermetaller, der mir beibrachte druckvoll zu spielen. Bis ich dann Thomas Zimmermann für mich gewinnen konnte – der Weg zur modernen Schlagzeug-Schule: über Dante Agostini u. Gary Chafee in den Jazz – eine neue Welt der Musik, die ich vor allem über die Rhythmik kennen und schätzen gelernt habe. Alle meine Lehrer haben mit Noten unterrichtet. Noten haben zwei entscheidende Vorteile: zum einen man kann Techniken – Rhythmen, Schlagabfolgen, Patterns – die man sich nicht merken kann, mit nach Hause nehmen und dort üben. Zum anderen kann man sich durch Noten Freiräume und Unabhängigkeiten schaffen, die kreativ und individuell nutzbar sind. So befähigen Spieltechniken zu neuen Ideen, die man für seinen eigenen Stil und die eigene Musik nutzen kann. 

Hört sich so an, als hast Du schon früh sehr zielgerichtet geübt… Während der Schulzeit waren das phasenweise bis zu vier Stunden am Tag. Nach Hause kommen, Tasche in die Ecke schmeißen und erst mal ran an die Kiste. Das ist wirklich eine Befreiung! Während der Zivildienstzeit wurde das Üben weniger, dafür habe ich mehr in Bands gespielt. Und nachdem ich mich dann gegen ein Schlagzeug-Studium entschied, wurde das Üben noch weniger und noch unregelmäßiger. Als ich dann bei Liquido am Bass aktiv wurde, war das dann der K.O.

Vor Liquido hattest Du als Drummer schon Banderfahrung sammeln können, oder? Klar… erste Bands hatte ich schon in der Schule, den ersten Auftritt in der Schülerband mit 14 Jahren. Immer wieder habe ich mit Freunden, die auch Instrumente (Gitarre, Bass, Drums) spielten, gejammt. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Meine ersten Demo-Aufnahmen machte ich dann mit 18 Jahren, meine ersten Platte mit Tristesse (1996) kurz darauf. Bis ich dann, wie die Jungfrau zum Kinde, an die Bassgitarre bei Liquido geriet und über 10 Jahre das Schlagzeug fast ganz aus den Augen verlor. 

Hast Du in den Anfangsjahren daran gedacht die Musik zum Beruf zu machen? Ehrlich gesagt, hatte ich nie daran gedacht. Andererseits ist es wahrscheinlich der Traum eines jeden Musikers, mal eine Platte zu machen und auf einer anständigen Bühne vor begeistertem Publikum zu spielen. Das ist wirklich toll. Aber der Traum vom großen Durchbruch schien so weit weg, dass ich nie darüber nachgedacht habe. Wie gesagt, eine Weile übte ich für die Aufnahmeprüfung des Schlagzeugstudiums, verlor das aber schnell wieder aus den Augen. Musik entwickelte sich dennoch zum großen Hobby, das immer mehr Zeit und Raum einnahm. Das ließ sich natürlich dann auch später mit dem Studium gut kombinieren, da man als Student ja gewissermaßen sein eigener Herr ist und alles selbständig einteilen kann. Und dann kam der Zeitpunkt der Entscheidung: Liquido oder Studium. Die Entscheidung fiel dann auf einmal ganz leicht. 

Mit Liquido kam der Wechsel zum Bass? Bei Tristesse und einigen anderen Bands habe ich immer Schlagzeug gespielt. Das war mein einziges Instrument. Liquido war ein Projekt von drei guten Freunden, die einen Basser suchten und nicht fanden. Also habe ich mir einen ausgeliehen und ging zur Probe. Obwohl ich am Bass definitiv nichts drauf hatte, außer Rhythmusgefühl und meine Gitarren-Kollegen mir zeigen mussten, wo ich mein Fingerchen drücken soll, habe ich daran große Freude entwickelt. Und bin für viele Jahre dabei geblieben. 

Mit Liquido habt ihr etwas erreicht, wovon tausende Bands und Musiker träumen… Liquido wurde schnell erfolgreich. Damit hatte ich nicht gerechnet. Vom Anfänger-Spaß-Autodidakten auf alle große Festival-Bühnen Europas! Das muss man sich mal vorstellen. Und da ich am Bass nicht viel konnte, wurde das Abgehen, die Performance für mich  wichtiger als das Bass-Spielen selbst. Ich hatte definitiv meinen Spaß. Ein guter Bassist wurde ich nicht. Aber die Jahre zogen ins Land. Drei-Töne-Achteln bis der Arzt kommt: das habe ich gelernt. Und als Schlagzeuger habe ich mich regelrecht auf die Bassdrum „daraufgesetzt“. Unser Liquido-Trommler Wolle tickt wie ein Uhrwerk. Gemeinsam bildeten wir das Fundament der Band. Insgesamt waren die Erfahrungen mit Liquido unglaublich: Charts und Festivals in ganz Europa. Das Leben auf der Überholspur eben. Keine Zeit mehr zum Aufatmen, nur noch unterwegs, nur noch Party, … – Rock’n’Roll eben.   

Hat es Dich nicht gereizt, auch mal bei Liquido die Drums zu bedienen? Ich versuchte, meiner Rolle als Bassist gerecht zu werden. Wolle, unser Liquido-Drummer, war einer meiner besten Freunde seit dem Kindergarten. Er ist einer der geilsten Trommler, die ich kenne und es war mir immer eine Ehre, mit ihm zu spielen. Wir haben früher auch oft zusammen gejammt. Da ist es schwer, eigene Ideen in der Band zum Besten zu geben, obwohl ich wusste, dass die anderen Bandkollegen meine Spielweise an den Drums durchaus schätzen. Ich hielt mich also zurück, äußerte Ideen, habe aber das Schlagzeug während der Proben selten und im Studio nie übernommen, auch bei eigenen Songs nicht. Aber gereizt hat mich das natürlich immer .

Was war das beeindruckendste Erlebnis in dieser Zeit? Sicherlich gehört das erste Bizarre-Festival dazu. Über den Vision-Newcomer-Sampler habe wir es ohne Plattenvertrag auf die Bizarre-Bühne geschafft: 10.000 Leute im Zelt und ich hatte ungefähr 10 Mal im Leben einen Bass in der Hand gehabt – beim Proben und beim Einspielen unseres 5-Track-Demos. Unseren ersten Bandauftritt hatten wir tatsächlich erst organisiert, als der A&R der damaligen Virgin uns live sehen wollte. So kam es, dass der gute Mann nach Sinsheim reiste, um nach dem Konzert festzustellen: „Mann ist die Band live scheiße, aber der Song ist echt geil“. 

Was hat in dieser Zeit am meisten genervt? Es waren schöne, schwierige, spannende, interessante und vor allem Jahre, die ich nicht missen möchte. Aber das Leben auf der Überholspur hinterlässt seine Zeichen. Ich bin so ein „Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Typ“. Ich genieße den Moment. Und in der Aneinanderreihung an Momenten verliere ich mich dann. Das ist die Kehrseite der Medaille. Zudem war es für mich immer schwer, den verschiedenen Interessen innerhalb der Band gerecht zu werden, vor allem im Spannungsfeld zwischen unseren beiden Sängern. Das war eine permanente Zerreißprobe und hat viel Nerven und Energie gekostet. Und war zudem oftmals für mich ein ganz schöner Runterzieher. Daran ist die Band letztendlich dann auch gescheitert, sodass wir uns 2008 aufgelöst haben. 

Hast Du in all der Zeit – das waren ja doch einige Jahre – weiterhin Schlagzeug gespielt? Mit dem Erfolg von Liquido hat sich das Schlagzeugspiel vollkommen verflüchtigt. Ich habe über 10 Jahre überhaupt nicht mehr gespielt. Erst mit der Band cages., dem Vorläufer von  Unter Ferner Liefen, habe ich wieder angefangen zu trommeln. Aber auch heute spiele ich selten Schlagzeug und muss auf das Erlernte aus jungen Jahren zurückgreifen. Dabei stelle ich immer wieder fest, wie schnell ich roste. Frustrierend ist es dann, wenn ich nicht mehr so kann, wie ich gerne möchte.

Wie kamst Du zu „Unter Ferner Liefen“? Unter Ferner Liefen ist aus der Band cages. heraus entstanden (2007). Für mich persönlich ein schöner Neuanfang mit guten alten Freunden, die sich auch schon fast aus den Augen verloren hatten (unter anderem Wolfgang, der auch bei Liquido dabei war). Wieder kam ich dazu: diesmal nicht als Bassist, sondern wieder als Schlagzeuger. Das war großartig. Auch wenn ich roste: Das ist mein Instrument. Als wir mit cages. im Studio waren, kam Wolfgang plötzlich mit deutschen Texten. Die waren gut. Und so hat sich das dann verselbständigt. Dann kam der neue Bandname, neue Lieder und 2012 tatsächlich der Plattenvertrag. 

Ihr wart mit UFL im Studio – wie arbeitet Ihr? Oh Mann, das ist ´ne Story. UFL ist wirklich eine langsame Band. Wir haben es genossen, ewig an Stücken zu proben, auszuprobieren, zu schreiben, einzelne Teile zu arrangieren. Doch diese Experimentierfreude wurde uns im Studio zum Verhängnis. Die Studiokosten waren nicht mehr tragbar, das Home-Recording zeitlich nicht mehr planbar. Wir sind alle Mitte 30. Da werden Häuser gebaut, Kinder in die Welt gesetzt, dem Job beigepflichtet. Eigentlich das Ende der Band. Und: Wolfgang wohnt in Berlin, Sven in Bad Rappenau, Wolf in Stuttgart und ich in München. Die Logistik ist unglaublich. Wir haben keinen gemeinsamen Proberaum mehr. Wir mieten Räume: überall. Das ist zwar nicht komfortabel, aber immerhin flexibel. 

Auf der aktuellen Platte sind nun die gesamten letzen Jahre der Band abgebildet, also auch unterschiedliche Produktionsmechanismen. Früher habe ich alle Songs auf Klick zuhause geübt und mir im Vorhinein genau überlegt, was ich wann, wo und wie spiele. Bei dieser Produktion war alles anders: Mit Job, Familie mit zwei Kindern und Promotionsvorhaben konnte ich meine Zeit nicht auch noch der Band widmen. Mein Austrittsgesuch wurde nicht gewährt, sodass wir uns darauf einigten, dass die Band die fehlenden Songs schreibt, diese probt und mir als MP3 zukommen lässt. Auf der Fahrt ins Studio habe ich mir die Titel dann angehört und am gleichen Tag eingespielt. Das hat wider Erwarten prima funktioniert. Einen großen Dank geht hier an Olaf Opal, dessen Art und Weise so angenehm und entspannt aufnehmen lässt. 

Unter Ferner Liefen beim Videodreh…

Welchen Stellenwert hat bei Dir die Drum-Spieltechnik? Ehrlich gesagt, denke ich nicht mehr über Spieltechnik nach. Ich übe nicht mehr. Ich spiele, was ich kann. Übung ist das eine, Spieltechnik das andere. Zusammen bildet das die Grundlage um das Umsetzen, was man gerade fühlt, will oder einem gerade einfällt. Jammen ist die beste Übung dafür. Üben Zuhause ist die Basis, um sich Spieltechnik schrittweise drauf zu schaffen. Stil, Können und Kreativität (=Spieltechnik) macht für mich einen guten Schlagzeuger aus. 

…also tatsächlich gar kein Üben mehr…? …heute übe ich nur noch in den Proben und im Studio. Ein kleiner Teil davon ist Gedankenarbeit, der größere Teil die spielerische Umsetzung. 

Gibt es Drummer, die Dich beeinflusst haben oder Dich noch beeinflussen? Es gibt ganz viele, die mich auf unterschiedlichste Art und Weise geprägt haben. Bei manchen war es die Technik, bei anderen der Stil, die Eigenständigkeit oder Komplexität, die Schwierigkeit oder die Geschwindigkeit, aber letztlich immer die Faszination, den passenden Beat zu finden, auch wenn er noch so einfach ist. Das geht ganz ohne Namen. 

Hast du einen „Lieblings-Groove“?  Es gibt wirklich faszinierende Grooves. Ich sehe sie aber nie für sich alleine, sondern immer in der Musik. Und sie funktionieren umso besser mit dem richtigen Sound im richtigen Song. Auf der RHCP „ Blood Sugar Sex Magic“ sind die Grooves, die für mich prägend waren. Das sind auch heute noch meine Lieblinge. Es gibt wenige Platten, auf denen das Schlagzeug so gut klingt und funktioniert wie hier – zumindest in dieser Art von Musik. 

Was ist Dein „Favorite-Style“? Über die Jahre hat sich mein Musikgeschmack immer wieder verändert. Vom Heavy-Metal über Punkrock, vom Jazz zum Hip Hop, von Indie- und Alternative-Rock bis zum Singer-Songwriter und Elektro-Pop. Ich bin für alles offen. In der Musik ist alles erlaubt. Alles ist kombinierbar. Ich stehe allen Stilen offen gegenüber.  

Was findest Du, sollte ein Musiker – oder jetzt in unserem Fall, speziell Drummer – mitbringen um im Business Fuß zu fassen oder „überleben“ zu können? Drummer sind ein eigensinniges Völkchen. Überaschenderweise sind die oftmals diejenigen in der Band, die organisatorische und leitende Funktionen übernehmen. Steht das vielleicht im Zusammenhang mit der Funktion als Taktgeber? Ich kann nur jeden Drummer raten, sich frühzeitig auch mit Komposition zu beschäftigen und ein Harmonieinstrument zu erlernen. Das zahlt sich in mehrfacher Hinsicht aus: Standing in einer Band, Mitsprache bei Kompositionen, Federführung im Studio und letztlich auch in finanzieller Hinsicht aufgrund der Urhebertantiemen, die heute eine wichtige Einnahmequelle darstellen. Zudem ist ein solides Basiswissen über das Musikbusines unerlässlich. Was machen Musiklabels? Was genau ein Musikverlag? Warum GEMA? Wie arbeitet ein Booker? Warum dann noch ein Manager? Als Musiker ist man freiberuflich/selbständig tätig. Ein bisschen Unternehmergeist gehört daher auch dazu. 

Du bist zwar als professioneller Musiker tätig, hast Dich letztendlich aber für ein gänzlich anderes Studienfach entschieden? Nach dem Zivildienst habe ich das Studium der Diplom-Philologie (Anglistik, BWL, Medien) in Mannheim begonnen. Die Fächerkombination hat mich einfach sehr interessiert. Was ich damit mal machen kann, war zweitrangig. Das Studieren sehr viel Spaß gemacht. Zwar habe ich dann für fast fünf Jahre wegen Liquido unterbrochen, aber das Studium dennoch zu Ende gemacht. Nach diesen ganzen turbulenten Jahren war die Wiederaufnahme eine willkommene Abwechslung. Ich habe es genossen, mit meinen Kommilitonen nicht über Musik zu reden. Das mit Liquido habe ich dort lange niemandem erzählt. 

Du bist zwischenzeitlich nicht „nur“ Musiker, Deine Tätigkeit hat sich in den letzten Jahren auch etwas verändert – erzähle doch mal, was machst Du sonst noch so? 2008 war für mich das Jahr der Veränderungen. Ich hatte mein Studium abgeschlossen, wir haben Liquido aufgelöst und ich habe erfahren, dass ich zum ersten Mal Vater werde. Das war viel auf einmal! Nach dem ganzen Ärger mit der Bandauflösung hatte ich auf das Musikbusiness zunächst keine Lust mehr und wollte mich gänzlich neu orientieren. Dennoch habe ich Unter Ferner Liefen vorangetrieben und daneben angefangen als Musikmanagement-Dozent meine Erfahrungen weiterzugeben. Das Unterrichten und die Arbeit mit den Studenten hat mir sehr viel Spaß gemacht. Heute arbeite ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Studienrichtung Musikmanagement an der MHMK (Macromedia Fachhochschule für Medien und Kommunikation) in München. Und genau hier schließt sich für mich die Brücke zu meiner Selbständigkeit im Musikgeschäft und der Fächerkombination meines eigenen Studiums – auch wenn mir das während des Studiums noch nicht klar war. 

Die „klassische Mischung“ Lehrer und Live/Studiomusiker wäre nichts für Dich gewesen? So ähnlich ist es ja eigentlich. Einerseits bin ich Lehrer nur eben im Musikmanagement, andererseits bin ich Musiker, nur unterrichte ich eben kein Instrument. Am Bass bin ich reiner Autodidakt und kann nicht nach Noten spielen und am Schlagzeug müsste ich erst mal wieder selbst ein bisschen üben. Mit Schlagzeugunterricht habe ich als Teenager mein Taschengeld verdient. Aber ehrlich gesagt, wüsste ich gerade nicht mal mehr, wo ich meine Unterrichtsmaterialien habe.

Wie siehst Du die Ausbildungssituation für angehende Musiker in Deutschland. Kann man das Musikbiz – von den handwerklichen Fähigkeiten mal abgesehen – wirklich „studieren“ um „Erfolg“ zu haben? Hier muss man ganz klar zwischen einer Ausbildung (bzw. Studium) zum Musiker und zum Musikmanager unterscheiden. Das sind zwei verschiedene paar Schuhe, auch wenn man beide zu Gehen braucht. Musiker und Manager sollten etwas voneinander verstehen, auch wenn sich Erfolg in der Musik nicht vorhersagen oder vorherbestimmen lässt. Und das ist auch gut so. Aber man kann die Weichen dafür stellen. Medientechnologien stellen gerade die gesamte Industrie auf den Kopf. Die Musikwirtschaft erneuert sich; sie ist komplex und mit vielen Teilbereichen der Medien-, Kultur- und Kreativwirtschaft vernetzt. Wer diese Veränderungen, Trends, Zusammenhänge und Potentiale, die jeweiligen Akteure, Institutionen und ihre Arbeitsweisen kennt, hat sicherlich bessere Chancen, mit seiner Musik erfolgreich zu sein. 

Wie siehst Du die Zukunft von Musikern in Deutschland? Musik ist allgegenwärtig und spielt eine große Rolle für die meisten von uns. Das fängt schon in der Kindheit an. Es ist unglaublich, welche Faszination, Emotion und Identifikation über Musik und transportiert werden kann. Und das wird meiner Meinung auch immer bleiben. Also wird es auch immer Leute geben, die Musik komponieren, aufführen, vermarkten oder das Spielen von Instrumenten unterrichten. Ob und wie erfolgreich dabei jeder einzelne von uns ist, ist ein anderes Thema.  

Wie siehst Du die Zukunft der Musikbranche allgemein? Die Musikbranche ist eine von Medien getriebene Branche, die sich mit jeder neu entwickelten Medientechnologie verändert. Das war schon immer so. Man denke nur an Schallplatte, Radio, Fernsehen, Kassette, CD und MP3. Und aktuell sind es Smartphones, Tablets und Notebooks, die über permanente und immer schneller werdende Datenverbindungen die Welt der Musik auf den Kopf stellen. Alles verändert sich: von der Produktion bis zum Konsum. Ich stehe alldem offen gegenüber. Manche jammern, manche stellen sich neu ein, andere freuen sich. Dort wo es Verlierer gibt, wird es auch immer Gewinner geben. Auf welcher Seite man steht, hängt auch davon ab, ob man sich rechtzeitig auf die Neuerungen eingestellt hat. 

Deine Zukunftspläne, Zukunftsvisionen? Ich werde weiterhin Musik machen und mal schauen, wie sich das entwickelt. Ich freue mich auf das erste Unter Ferner Liefen Album, das Anfang 2013 veröffentlicht wird. Und natürlich auch auf die Tour. Irgendwann möchte ich auch mal eine Band managen, in der ich nicht spiele und die mich vollends überzeugt. Im Rahmen meiner Tätigkeit an der MHMK strebe ich die Promotion an, was derzeit mit Job, Band und Familie mit zwei Kindern zeitlich etwas schwierig erscheint. Guttenberg nannte das „die Quadratur des Kreises“ 😉 Zudem möchte ich mich für Anliegen von Musikschaffenden engagieren und bin seit kurzem im Labelrat des VUT Süd (Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V.) ehrenamtlich aktiv. Meine Zukunftsvision kurzum: Musik – Management – Wissenschaft. 

Equipment Talk

Was für Drums hast Du im Einsatz? Ich besitze nur wenig Drum-Equipment. Früher hatte das einen enormen Stellenwert. Heute betrachte ich das überwiegend funktional. Ich besitze seit über 20 Jahren ein schwarzes Sonor Force 2000, das mich immer wieder überzeugt. Und ein Pearl Master Custom in silver-sparkle, das nicht nur gut klingt, sondern auch sehr schön aussieht. Ich liebe dieses Set. Das spiele ich live und im Studio. Im Studio allerdings nutze ich meistens auch das Equipment, was dort verfügbar ist, je nachdem, welche Sounds für die jeweiligen Songs dienlich sind. Da tut es dann plötzlich auch mal eine verratzte Bassdrum, die in der Ecke verstaubt und eigentlich nicht so prickelnd klingt, aber dann plötzlich im Song prima funktioniert. Besonders wichtig ist mir die Auswahl der Becken, da ich gerne viel Crashbecken spiele. Ein falsches Becken kann schnell die ganze Aufnahme vermasseln. Im Studio liebe ich dünne Becken, die schnell und nicht so laut crashen. Live auch, aber die gehen leider zu schnell kaputt, sodass ich mich mittlerweise für dickere und leider auch klanglich wuchtigere Becken entschieden habe. 

Was hast Du dir zuletzt fürs Drum-Set gekauft?

Einen neuen Hocker und einen neuen Beckenständer. 

Drums: 22 BD, 12 TT, 16 ST, 14 SN

Becken: 14 HH (links), 22 Ride (rechts), 16 High-Crash (links), rechts17 Dark-Crash und ganz außen rechts über dem Standtom ein 18er Crash.

Sticks: 1A

Setaufbau: einfacher Aufbau, Standard, kein Schnickschnack. 

Website:

www.unterfernerliefen.net


Danke für das Interview Stefan und auf bald!

Ready. Set. Groove!